Für das Magazin SNF-Horizonte sprach ich mit Santina Russo über Forschung, wenn man selbst sowohl Subjekt als auch Objekt der Forschung ist, über Potenziale und blinde Flecken.
Ausschnitt:
Auch der Kriminologe Ahmed Ajil nutzt Autoethnografie jeweils zusätzlich zu seinen quantitativen und qualitativen Untersuchungen. Ajil forscht an den Universitäten Luzern und Lausanne unter anderem zu Terrorismus – oder politisch-ideologisch motivierter Gewalt, wie er selbst differenzierter sagt. Ihn interessiert, wie Mitglieder terroristischer Organisationen mobilisiert werden. Dazu hat er Interviews mit Männern geführt, die in der Schweiz wegen terroristischer Straftaten verurteilt wurden, sowie mit Mitgliedern gewaltbereiter Organisationen im Libanon. Wie Ajils Name schon verrät, hat er selbst einen muslimischen Hintergrund und Arabisch ist seine Muttersprache. Mittels Autoethnografie und dem Vergleich mit Forschungskollegen und -kolleginnen hat er analysiert, welchen Einfluss seine kulturelle und sprachliche Nähe zu den Interviewten auf seine Forschung hat.
Er kam zum Schluss: Diese Nähe nützt ihm zum Teil, um Vertrauen zu den Interviewten aufzubauen und die Nuancen von Aussagen besser zu verstehen. Manchmal war seine Herkunft sogar entscheidend dafür, dass er ein Interview führen konnte. Ajil erkannte aber auch, dass sein kultureller Hintergrund bei den Interviews auch schaden kann, etwa wenn sein Gegenüber annimmt, dass er gewisse Dinge einfach so versteht und diese dann ungesagt bleiben. «Wichtig ist, dass ich diese Blind Spots erkenne und darauf reagiere, indem ich expliziter nachfrage.»
Im Übrigen würde Ajil sich wünschen, dass auch mehr seiner Forschungskolleginnen und -kollegen ihre Rolle und ihren vielleicht unbeabsichtigten Einfluss systematisch reflektieren. Das machen längst nicht alle. «Geschieht das nicht, schadet das der Forschungsarbeit.»
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